Aktuell wird das Reisen sehr politisch. Dies hat weniger mit der Coronakrise zu tun, als vielmehr mit der Klimakrise. Diese wird uns nämlich sehr wahrscheinlich noch deutlich länger als die Pandemie beschäftigen. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil zum Klimaschutzgesetz die Politik dazu verpflichtet, viel schneller und viel konkreter zu agieren, als sie dies bisher getan hat.
Daraus ergeben sich viele Fragen, die auch unser Reiseverhalten und unsere Reisemöglichkeiten mittel- und langfristig teils deutlich verändern werden. Welchen Preis haben etwa CO2 Emissionen? Was heißt das für den Flugverkehr? Wie wird Mobilität in Zukunft allgemein aussehen? Welche Folgen hat das alles für uns, aber auch für die Länder, die wir bereisen wollen? Ökologisch, ökonomisch und sozial?
Große Fragen, die häufig in emotionalen Diskussionen ihren Weg ins Private finden. Wir möchten an dieser Stelle beschreiben, warum wir grundsätzlich dafür sind, dass sich vieles ändert, damit das Reisen auch in Zukunft ein nachhaltiges Erlebnis bleibt.
Wieso man über Kurzstreckenflüge eigentlich nicht diskutieren müsste
Relativ einfach ist die Sache beim Thema Kurzstreckenflüge. Diese haben am weltweiten CO2-Ausstoß tatsächlich nur einen geringen Anteil. Sie sind aber gleichzeitig ein sehr gutes Beispiel dafür, dass die meisten Änderungen unseres Verhaltens, die es für die Lösung der Klimakrise bedarf, eben nicht mit gravierenden Einschränkungen verbunden sind.
Man kann innerdeutscher Flüge vielleicht eher als Indikator für die generelle Bereitschaft verstehen, tatsächlich etwas ändern zu wollen. Denn, das meistgenannte Argument gegen eine Beschränkung, die Zeitersparnis, fällt bei einem genaueren Blick eher schwach aus.
Rechnet man nämlich zu der Flugzeit, die Anreise zum Flughafen, die Sicherheitskontrolle, das Boarding, die Busfahrten auf dem Rollfeld und die Fahrt vom Zielflughafen in die City hinzu, bleibt von der gesparten Zeit, wenn überhaupt, nur wenig übrig. Im Vergleich zu einer Bahnfahrt von Innenstadt zu Innenstadt, auf der man nebenbei auch entspannt arbeiten kann, schneidet der Kurzstreckenflug ziemlich schlecht ab.
Ein weiteres Argument ist, dass diese Flüge als Zubringer für Langstrecken benötigt werden. Die Vermutung, dass es dabei aber in erster Linie um die Erhöhung der Auslastung von Kurz- und Langstreckenflügen einiger Airlines geht, liegt recht nahe. Denn es wirkt sich wohl kaum auf meine Reisedauer aus, wenn ich, statt mit dem Flieger, mit der Bahn von Münster/Osnabrück nach Frankfurt reise, um von dort zum Beispiel nach Asien oder Amerika zu fliegen.
Die Frage ist also, ob ein, in den meisten Fällen nicht vorhandener, zusätzlicher Zeitaufwand und vielleicht etwas weniger Bequemlichkeit nicht vertretbar sind, um zu zeigen, dass man das Problem erkannt hat und bereit ist entsprechend zu handeln? Die Antwort muss sich jeder von uns selbst geben. In diesem Zusammenhang möchten wir aber gerne auf einen Beitrag verweisen, in dem wir die These aufstellen, dass Verzicht der neue Luxus sein könnte.
Faire Bezahlung ist doch selbstverständlich oder gilt das nur für uns selbst?
In Bezug auf das Reisen gibt es aber noch ein weiteres, für die Touristik weniger beachtetes Thema, das für die soziale Komponente unseres Urlaubsmodells steht: das Lieferkettengesetz. Kurz gesagt geht es darum, dass Arbeit fair entlohnt wird und in einem rechtssicheren Rahmen erfolgen muss. Und zwar nicht nur bei uns, sondern überall dort, wo sie geleistet wird.
Bei unseren Reisen geschieht ein Großteil der Arbeit häufig im Ausland. Dass die Menschen, die dafür sorgen, dass wir eine schöne Zeit haben, auch angemessen bezahlt werden, wird sicherlich jeder von uns unterschreiben. Wie sieht es aber aus, wenn dies zur Folge hat, dass dadurch, wie auch zum Beispiel bei Textilien, die Preise unserer Reisen steigen werden? Sind wir dann auch noch zur Unterschrift bereit?
Addiert man nun noch einen zukünftig höheren CO2-Preis hinzu, landen wir schnell bei der Frage, ob sich zukünftig noch jeder einen Urlaub leisten kann. Paradoxerweise entdecken hier plötzlich einige Unternehmen ihr soziales Gewissen, die es bisher bei den Themen faire Bezahlung und gute Arbeitsbedingungen mit Verweis auf den „harten Wettbewerb“ und die „preissensible Kundschaft“ nicht ganz so streng genommen haben.
Überspitzt und zugegeben etwas provokativ kann man einen Vergleich mit der industriellen Fleischproduktion ziehen. Ohne Rücksicht auf Tiere und Natur wird ein Überfluss geschaffen, der uns dann als unser gutes Recht auf günstigen, täglichen Konsum verkauft wird.
Der Vergleich ist wie gesagt bewusst überspitzt, aber Flüge nach Barcelona für 9,99 € oder eine Woche AI in der Türkei inkl. Flug für 149 € mögen sicherlich für viele Menschen erschwinglich sein. Sozial gerecht geht es in der gesamten Lieferkette einer solchen Reise aber sicher nicht zu.
Ein Perspektivwechsel wäre in der Diskussion über soziale Gerechtigkeit beim Reisen wünschenswert
Daher braucht es wahrscheinlich einen Perspektivwechsel, anstatt nur innerhalb des gewohnten Musters zu bleiben. Denn schon immer konnten sich wenige mehr leisten als die große Mehrheit. Auf Reisen gibt es sogar eine offizielle Maßeinheit hierfür: die Sterne am Hoteleingang oder die Unterteilung der Flugzeuge in First-, Business- und Economy-Class.
Die eigentliche Frage müsste also vielmehr lauten, was uns unsere Reisen wert sind. Nicht nur auf den Preis bezogen, sondern auch auf das, was wir suchen und erleben wollen. Es mag etwas naiv klingen, aber wir sind davon überzeugt, dass ein Urlaub in einem kleinen, lokal geführten Hotel in vielen Fällen erfüllender ist, als der Aufenthalt in einem großen Luxus-Resort, das ggf. noch dazu einem multinationalen Konzern gehört.
Generell werden diejenigen, die schon heute ein höheres Reisebudget haben, auch in Zukunft die Mehrkosten tragen können. Deshalb muss es natürlich auch beim Reisen einen sozialen Ausgleich und weiterhin attraktive Angebote geben. Dass aber weiterhin Flüge angeboten werden müssen, die weniger als die S-Bahnfahrt zum Flughafen kosten, ist eine Interpretation von Reisefreiheit, die in die falsche Richtung läuft. Vielmehr wird der Klimawandel bei einem einfachen „weiter so“ unsere Reisemöglichkeiten langfristig viel stärker beschränken, als jede Maßnahme, die wir heute und nicht erst morgen oder übermorgen freiwillig umsetzen.
Wie sieht also der Masterplan für die Zukunft des Reisens aus?
Komplett ohne zusätzliche Kosten und ohne ein ernsthaftes Nachdenken über unser Konsumverhalten wird der Klimawandel nicht zu stoppen sein. Das ist eine Wahrheit, die für viele Bereiche unseres Lebens und auch für das Reisen gilt. Nicht wahr sind allerdings die Horrorszenarien, die in diesem Zusammenhang gerne beschrieben werden. Denn weniger, besser und bewusster anstatt höher, schneller, weiter ist sicher auch beim Reisen eine Devise, auf die sich viele von uns einigen können. Im Sinne der Nachhaltigkeit wäre genau das schon ein sehr bedeutender und ziemlich „horrorfreier“ Schritt.
Es geht bei der Diskussion, die ja gerne populistisch mit dem Hinweis auf eine Verbotskultur abgewürgt wird, nämlich gar nicht um die Frage, ob man reist. Vielmehr geht es darum, wie wir reisen und welchen Nutzen es sowohl für uns Gäste als auch für unsere Gastgeber hat. Denn der Tourismus ist in vielen Ländern der Erde existenziell wichtig. Und deshalb muss auch ein Großteil der Wertschöpfung genau dort ankommen. Es geht also um Fairness und nicht um die Einschränkung unserer Freiheit.
Wie können wir es also anders und besser machen? Um es klar zu sagen: Den Masterplan zum klimaneutralen, sozialverträglichen und wirtschaftlich nachhaltigen Tourismus haben wir leider auch nicht. Wir haben aber durchaus ein paar Ideen, mit denen wir zumindest erste Schritte in eine andere Richtung gehen bzw. reisen können.
Mit diesen Ideen für einen faireren Weg wollen wir zum Nach- und Umdenken anregen. Und natürlich diskutieren wir auch gerne darüber, wie wir die Dinge noch besser machen können. Denn Reisen ist wichtig und richtig und wir sind optimistisch genug, dass wir auch weiterhin unterwegs sein können!
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